Der unvollkommene Markt
18. November 2024
Hemmnisse im EU-Binnenhandel bremsen Innovation und Produktivität
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18. November 2024
Hemmnisse im EU-Binnenhandel bremsen Innovation und Produktivität
Der EU-Binnenmarkt umfasst heute rund 450 Millionen Verbraucher:innen und 31 Millionen aktive Unternehmen, von denen die meisten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind. Durch ihn ist der Handel zwischen den Mitgliedstaaten über die Jahre stetig gewachsen und er schuf bis heute schätzungsweise 56 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze. Er ist der größte gemeinsame Markt der Welt. Dadurch weist der Binnenmarkt eine hohe Attraktivität für ausländische Unternehmen auf, was ihn zum wichtigsten geopolitischen Asset der EU im globalen Standortwettbewerb macht.
Die vielbeachteten Analysen von Enrico Letta und Mario Draghi weisen jedoch darauf hin, dass der Binnenmarkt nach wie vor stark fragmentiert ist. Neueste Schätzungen des IMF kommen hier zu dem Ergebnis, dass die grenzüberschreitenden Handelskosten innerhalb Europas im Jahr 2020 durchschnittlich einem Zolläquivalent von 44 Prozent für das verarbeitende Gewerbe entsprochen haben. 15 Prozent waren es zwischen den US Bundesstaaten. Im Dienstleistungssektor erreichte der errechnete Zollsatz sogar 110 Prozent.
Die Barrieren auf dem EU-Binnenmarkt sind nach 30 Jahren immer noch beträchtlich. Sie haben dazu beigetragen, dass in der Vergangenheit weniger Investitionen und Innovationen getätigt wurden als notwendig gewesen wären, um Wachstum und Produktivität auf das Niveau anderer großer Wirtschaftsräume zu heben. Die Unvollständigkeit des Binnenmarkts – sowohl für den Handel mit Waren und Dienstleistungen als auch in Bezug auf die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital – muss daher als einer der Hauptgründe für die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit der EU verstanden werden.
Eines ist klar: Der EU-Binnenmarkt ist eine der größten Errungenschaften des europäischen Integrationsprojekts. Er ist zugleich Wohlstandsgarant und wichtigster geopolitischer Hebel Europas. Und im Gegensatz zu anderen globalen Herausforderungen, haben die EU-Verantwortlichen seine Ausgestaltung selbst in der Hand. Die neue Kommission darf daher keine Zeit verlieren, das noch unausgeschöpfte Potenzial des Binnenmarkts zu heben. Sie muss sicherstellen, dass Waren-, Arbeitnehmer- und Dienstleistungsmobilität auch in Krisenzeiten funktionieren. Bestehende Binnenmarktregeln gilt es zu verbessern und den Rechtsrahmen effizienter, wettbewerbs- und zukunftsorientierter auszugestalten. Dazu gehört im Wesentlichen auch die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit im wirtschaftlichen Bereich. Zuletzt benötigt die EU eine große Menge an frischem Kapital, um Innovationsfähigkeit zu fördern sowie den grünen und digitalen Wandel zu bestreiten. Dazu müssen die Arbeiten an der Kapitalmarktunion zügig vorangetrieben werden.