Deutschlands kriselndes Wachstumsmodell
5. März 2025
Ruf nach „Europe-First“-Ansatz
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5. März 2025
Ruf nach „Europe-First“-Ansatz
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) befindet sich in einer ausgedehnten Stagnationsphase. Im 4. Quartal 2024 lag das BIP gerade einmal 1,8 % über dem Niveau des 4. Quartals 2017. Im internationalen Vergleich fällt das Wachstum ebenso enttäuschend aus: Die USA verzeichneten im gleichen Zeitraum einen Zuwachs von 18,4 %, die OECD insgesamt von 13,6 %. Ein wesentlicher Grund für die anhaltende Stagnation ist der Einbruch der Netto-Exporte, die kumuliert seit 2017 insgesamt 4,2 %-Punkte vom BIP abgezogen haben. Auch die Bruttoanlageinvestitionen lagen zuletzt unter dem Ausgangsniveau von Ende 2017 und dies bei gleichzeitig hohem Investitionsbedarf. Allein zwischen 2020 und dem 1. Halbjahr 2024 fehlten Investitionen in Höhe von 210 Mrd. Euro. Stabilisierend wirkte hingegen der öffentliche Konsum, ohne dessen ausgleichende Wirkung das BIP Ende 2024 um -1,7 % unter dem Niveau von Ende 2017 gelegen hätte.
Deutschland wurde in den Jahren nach der Pandemie von massiven negativen Schocks getroffen: Der Inflationsschock, der Zinsschock, der Einbruch der Exportnachfrage insbesondere aus China, der Ausbruch des Ukrainekrieges und die darauf folgenden Sanktionen gegen Russland. All diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass das lange Zeit erfolgreiche exportorientierte Wachstumsmodell Deutschlands heute vor tiefgreifenden Herausforderungen steht. Auf der Angebotsseite belasten die hohen Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Nachfrageseitig hat China die industrielle Basis Deutschlands in vielen Bereichen kopiert und verdrängt zunehmend deutsche Exporte auf den Weltmärkten. Zudem ist die Nachfrage anderer wichtiger Handelspartner wie den USA nicht mehr so verlässlich wie in der Vergangenheit. Damit bleibt nur noch ein großer Absatzmarkt für deutsche Produkte: der europäische Binnenmarkt selbst.
Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern verfügt Deutschland über größere fiskalische Spielräume. Diese könnten genutzt werden, um Wachstumseffekte im gesamten europäischen Binnenmarkt zu generieren, wovon neben der deutschen Exportwirtschaft insbesondere auch Länder profitieren würden, die eng in deutsche Wertschöpfungsketten eingebunden sind, wie z.B. Österreich. Es sollte ein „Europe First“-Ansatz in Anlehnung an den Draghi-Bericht aufgegriffen werden, wie er mittlerweile auch im österreichischen Regierungsprogramm verankert ist.